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capitalism feels like minimal art


Die Minimal Art Künstler erkannten als Erste den Fetisch-Charakter der Kisten: Die magische Kraft, die in Würfeln und Kisten steckt. Objekte, die es vermeiden zu verraten, woher sie kommen.

Die Minimal Art Künstler der 1960er Jahre übertrugen diese auf die Kunst, indem sie das Industrielle, das Minimale, das Serielle und das Geometrische des Massenkonsums auf ihre Kunstobjekte transferierten. Die Minimal Art reproduzierte so den Kapitalismus in unzähligen Objekten: Würfel, Quader und Kisten, und wurde so zum Handlanger des Geldes. Der Kapitalismus ist nur mit der Heiligsprechung durch die Kunst möglich, weil so sich das Produkt wie Kunst anfühlt, und Kunst kann nicht böse sein.

Zudem verlagerten die Minimal Art Künstler die Herstellung der Kunstwerke in die Fabrik, und damit auch die Aura der Kunst. Die Annahme, dass ein Ding nur ein Ding ist und nicht über sich hinaus weist, ließ den Künstler Frank Stella sagen: »What you see is what you see.« So ist es eben nicht, es ist die Frage: Was bist du alles bereit, nicht zu hinterfragen? Was bist du alles bereit, bewusst zu ignorieren?

Die Normierung der unzähligen Kisten verzerrt die Alltagswahrnehmung so, als ob alles nur noch einen formalen Wert hat, ohne Inhalte und Vergangenheit. Das ist das Krankmachende an den Kisten.

Wie mächtig die Kisten sind, sieht man an Amazon. Alle wissen, wie scheiße Amazon ist, trotzdem kaufen sie da, weil die Kiste jede Erinnerung an die Scheiß-Arbeitsbedingungen vergessen macht. Durch die Aura der Kiste, die Aura der Minimal Art, wurde Jeff Bezos gleichzeitig zum reichsten Menschen der Welt und zum schlechtesten Chef der Welt.

Gehe ich in den deutschen Supermarkt habe ich die Wahl zwischen Scheißkiste Eins oder Scheißkiste Zwei. Kaufe ich das Fleisch, das nicht unter artgerechter Tierhaltung produziert wurde, oder kaufe ich das Gemüse aus Spanien, das auch aus nicht artgerechter Arbeiterhaltung stammt. Nachdem die Nahrungsmittel in Kisten verpackt sind, spielen die prekären Produktionsbedingungen keine Rolle mehr.

Tinder führt zu einer Kistianisierung der Liebe, zur absoluten Fokussierung auf die Oberfläche. Nur noch das Äußere zählt. Hoffentlich sieht mein(e) zukünftige Partner/ Partnerin gut aus auf den gemeinsamen Fotos, die wir für mein Profil in den werbefinanzierten Netzwerken machen.

Die Kiste ist die Mutter des Kapitalismus. Durch die Kisten, durch die Verschachtelung, wird eine unüberwindbare Mauer gebaut zwischen Käufer und Produzenten. Die Kiste ermöglicht es, das Produkt von den Produktionsbedingungen zu trennen. Die Kiste erlaubt, Prozesse in so kleine Teilstücke zu zerschlagen, dass es unmöglich ist sie nachzuvollziehen. Ich tue eine Kiste in eine größere Kiste, die ich in eine noch größere Kiste tue. Durch die Kisten sind die Handelsketten intransparent. Die Kiste ist die brachialste Erfindung, die die Menschheit je hervor gebracht hat.

Durch die Kiste werden alle negativen Aspekte außen vor gelassen. Als ob die Kiste selbst beim Auspacken das jungfräuliche Produkt gebiert, als ob das Produkt einfach da ist. Wie bei der unbefleckten Empfängnis der Mutter Jesu.

Die Kiste egalisiert alles.

Der Fisch wurde Afrikanern vor der Nase weggefangen. Egal.

Kinder habe die seltenen Erden für die Elektrospielzeuge geschürft. Egal.

Kinder haben den Kakao deiner Schokolade geerntet. Egal.

Die Schuhe, die durch Kinderarbeit produziert wurden, tut man in eine Kiste, verschifft die Kisten durch die Welt, und schon sind alle Sünden vergessen. Die Kiste ist der neue ultimative Ablassbrief. Durch die Kiste kann man endlich sündigen ohne Reue.

Tut man eine Katze in eine Kiste, ist sie nicht tot oder lebendig. Sie wird ihrer Historie beraubt.

So sorgen die Kisten für die strukturelle Gewalt, in der Gewalt so alltäglich wird wie Schweißfüße. So ist die Kiste Schuld an Menschenausbeutung, Ressourcenausbeutung, Klimawandel, nicht nachhaltigem Lebensstil und Hunger.

Die Sechziger Jahre, die sich auszeichnen durch die Massenproduktion, den Massenkonsum und den Fernseher als Massenmedium, führten zu einer Standardisierung der Welt, zu einer Kistenwelt, die immer mehr der industriellen Norm angepasst wird, anstatt von den individuellen Vorlieben der Menschen bestimmt zu sein.

Das Individuum wird also umzingelt von Kisten und so zum Egozentriker, da die Kisten um es herum verhindern, dass es Liebe, Freundschaft, Zuneigung oder Zärtlichkeit erfahren kann. Wir sind lauter vollkommen isolierte Einzelwesen, unfähig zu Empathie. Dieses Kistengefängnis führt zu einem Arsenal von negativen Gefühlen – Hass, Eifersucht, Verachtung, Ekel, Schuld, Scham, Zweifel – und das Schlimme ist: Es ist dem Gefangenen nicht bewusst.

Der Gefangene hasst die Passivität, darum muss er zwanghaft konsumieren, und hält so die Welt am Laufen. Die Kistianisierung der Welt verwandelt die Menschen in emotionale Zombies. Die Menschen haben jeden Kontakt zur Umwelt und zu anderen Menschen verloren. Jeder Mensch gleicht so einer Insel, umgeben von einem Meer aus Kisten: in sich selber eingesperrt, emotional isoliert, unfähig mit anderen zu kommunizieren, unfähig, außerhalb der Kisten zu denken.

Die Kiste sorgte für die totale radikale Entpersonalisierung, in der wir jetzt leben, in der man seine Individualität nur noch zusammenkaufen kann. Die Konsumlogik beinhaltet, dass wir unsere Identität erst durch Konsum herstellen müssen. Ohne Konsum kein Ich.

Die Kisten zwingen uns zur Langeweile, zur Passivität. Die Kisten halten uns ab von wichtigen und befriedigenden Aktivitäten. Die Kisten hindern uns daran, unsere aktiven Fähigkeiten auszubilden, sich als ein Mensch von höheren Gefühlen, Wahrnehmungen, Einsichten und Urteilen zu verhalten. Die Kisten unterminieren den Glauben an Güte, an Werte, an Gefühle, an eigene Wahrnehmungen und an die eigene Urteilskraft.

Mit der begrenzten Anzahl der uns umgebenden Kisten reduzieren wir unsere Wahrnehmung. Die Kisten tragen so zu Verdummung bei, denn mit ihrer minimalen äußeren Form erzeugen sie eine Verschleierung der komplexen Welt und führen so dazu, dass Rassismus wieder salonfähig wird, weil durch die Kisten die Welt so einfach scheint, wie die Populisten es uns suggerieren.

Durch die Kisten ist die Menschheit zu ein Haufen Lahm-Ärsche mutiert. Wie ein böses Virus aus dem Weltall verwandeln die Kisten die Menschen in Langweiler und Idioten.

Ohne die Kiste wäre keiner auf die Idee gekommen, Atommüll zu produzieren und ihn dann in eine Kiste zu tun, und das als Lösung zu verkaufen. Wie wäre es, wenn man den Atommüll Wilhelm Mundt gibt, und der den Atommüll dann in Kunst verwandelt, damit man den Atommüll dann ins Museum stellen kann.

Die Menschen merken nicht einmal, wie eingeschränkt sie sind durchs Kisten-Denken der digitalen Zensur. Sie sind so an diese Eingeschränktheit gewöhnt, dass sie glauben, dass es normal ist. Facebook beschränkt die Menschen auf eine Handvoll Interaktionsmöglichkeiten und die Menschen freuen sich, weil sie nicht mehr selber denken müssen. Man darf keinen Hatespeech, Mobbing, Terrorismus, Brustwarzen, Nacktheit, Genitalien, erotische Bilder, Porno, Selbstverletzungen, Karikaturen über Sodomie oder Kindesmissbrauch posten. Die werden dann sofort gelöscht. Alle freuen sich, dass Facebook die Welt zensiert. Die Menschen wollen nicht in die Abgründe der Menschheit gucken. Sie wollen nicht mit Gewalt und Terror konfrontiert werden. Sie sind froh in ihrer Kiste, und froh dass Facebook alles so schon aufgeräumt hat – und einem gleichzeitig neue tolle Produkte für ihre Schein-Individualität anbietet.

Der Fahrradkurier mit Würfel auf den Rücken ist der Beweis für die unheilvolle Allianz zwischen Kapitalismus und Kunst. Die Fahrradkuriere sind moderne digitale App-Sklaven, die komplett quantifiziert und überwacht werden. Sie geben nicht nur ihre Zeit, sie geben auch ihre Daten, um Geld zu verdienen. Das Ganze ist nur möglich, da sie so lustige kleine Würfel auf den Rücken tragen, und es sich mehr nach Kunst anfühlt als nach Ausbeutung. Hätten die Flüchtlinge auch so lustige Würfel auf den Rücken, wenn sie im Mittelmeer ertrinken, würde es keinen mehr stören.

Keine Akzeptanz des Status quo! Es ist Zeit, nachhaltig, ganzheitlich und solidarisch zu handeln, um das Kistendenken zu überwinden.

Als erstes müssen wir die digitale Infrastruktur: das Internet, Suchmaschinen und die sozialen Netzwerke, vergesellschaften. Die Black-Boxes der digitalen Infrastruktur müssen zerschlagen und in Gemeineigentum überführt werden. Öffentliche Infrastruktur darf kein Teil eines Firmengeheimnisses sein. Amazon, Coca-Cola, Bayer, Deutsche Wohnen und Co müssen enteignet werden, und deren Vermögen muss an alle Mitarbeiter verteilt werden.

Die Kistianisierung ist kein Naturgesetz. Wir können sie überwinden. Wir müssen alle Kisten vernichten, sonst zerstören die Kisten unsere Zivilisation.

Daniel Chluba

Warum bist du nicht auf der Straße?

Der Container von Daniel Chluba fungiert als ein mobiles Aktions- tool, wie ein nicht ortsgebundener Werkzeugkasten. Der Container kann an jeden Ort der Welt gebracht werden, an dem gerade ein akuter Kunst- Mangel herrscht und so kann sofort mit einer Blitz- Kunstaktion geholfen werden.

Durch die direkte Frage im Titel Warum bist du nicht auf der Straße? ist das Kunstwerk auch gleichzeitig ein Gedanken- Experiment, bei dem die Aktion im Kopf des Betrachters stattfindet, indem er sich selbst diese Frage stellt. Mit welchem Schild würde ich durch die Stadt laufen? Für was würde ich demonstrieren? Für was würde ich nicht demonstrieren? Wie mache ich die Welt zu einer besseren Welt? Was hasse ich? Was liebe ich? Auf welcher Demo war ich zuletzt? Für was habe ich mich zuletzt eingesetzt? Habe ich meine Ziele erreicht?